Donnerstag, 20. November 2008

"Ich höre mich von innen vollkommen anders an, als andere von außen"

Er ging langsam reihum und legte sich sanft auf unsere Lungen. Zaghaft stößt er vor, in jede Blutbahn, in jede Zelle. Er schnürte uns behutsam die Schwere von der Leichtigkeit des Lebens ab und schiebte uns nun in den Raum, der uns einschließt und gleichsam frei lässt. Er verabschiedete sich kurz und lässt uns mit unserem betäubten Verstand allein.

Ich beobachtete nun meine eingeschlossenen, freiliebenden Mitspieler und mich in der Macht des Gemüts und suchte nach Antworten, die meine Faszination erklären sollten.

Wir saßen am Tisch. Um uns herum kaltes Geschirr, ausgedrückter Zigarettenrauch und eine gewisse Hilflosigkeit. Ich lächelte, weil mein Körper ohne das Wissen des Kopfes die Steuerung für meine motorischen Handlungen übernommen hat. Ohne zu fragen, setzte sich mein Körper mit seinen momentanen Bedürfnissen durch und erklärte meine Feinmotorik für einen längeren Zeitraum für tot. Doch mein Kopf wurde nicht stillgelegt. Stattdessen zog er sich den übergroßen Mantel des Drangs an und durchflutete mich mit neuen, kurzlebigen Sichtweisen.

Ich sah meinen linken Mitspieler in seinen Eigenheiten versunken. Spitzfindigkeit und Passivität sind unterhaltsame Spiegelbilder und brachten mich zum nicht nachvollziehbaren Lachen. Zugleich drängte sich eine sehr naive und liebselige Eigenart von ihm ans verrauchte Küchenlicht, welches mir noch nicht vertraut schien. Doch im selben Augenblick war mir dieses Phänomen vollkommen gleich. Stattdessen verspürte ich den unersättlichen Hunger, den ich mit meinen Mitspielern versuchte zu beruhigen, indem wir uns der Schlemmerei hingaben. Brot, Cornflakes, Pesto, Oliven und noch mehr Brot, Cornflakes, Pesto und Oliven. Das Schmieren der Brote wurde zum konzentrationsfüllenden Akt, welcher in eine solche Länge gezogen wurde, dass das eigentliche Brotschmieren zu einer neuen Lächerlichkeit von uns wurde. Wir lachten über unsere eigene Hilflosigkeit, dann über unsere Lacharten bis hin zum herunter gefallenden Brot. Diese Übertriebenheit führte uns Schmerzen in den Bauch. Wir lachten Tränen und verzerrten minutenlang unsere Gesichter. Es tat gut in die Augen der anderen zu schauen, um die Gewissheit zu haben, dass sie sich auch der Realität entzogen hatten.

Wir mussten aufbrechen. Wir waren doch zu jener Feier eingeladen, die uns in diesem Zeitpunkt nicht klar werden wollte. Für jede neue Handlung brauchten wir doppelt soviel Konzentration, Mühe und Zeit. Für jede neue Handlung musste kein wirklicher Sinn dahinterstehen. Für jede neue Handlung wurde man immer vergesslicher.

Und doch haben wir einen Satz nicht vergessen können, der in dieser Nacht entstand:

„Ich höre mich von innen ganz anders an, als andere von außen!“

Ich weiß, dass ich ihn in jener Nacht vollkommen nachvollziehen und verstehen konnte und nun reiht er sich implizit in mein Unterbewusstsein ein und traut sich nicht mehr hinaus. Ich will dich wiedersehen und laufe dir hinterher.

Freitag, 14. November 2008

Jetzt warte mal!

Heute Morgen musste ich darauf warten, dass mein Duschwasser doch endlich die gewünschte Temperatur annimmt, um endlich den Schlafdreck von der Haut zu waschen. Kurz darauf durfte ich fünf Minuten nackt darauf warten, dass die billige Körperlotion doch endlich einzieht, um meinen nun völlig erfrorenen Körper anzukleiden. Erneutes Warten passte mich an der Busstadion ab, damit ich noch etwas Zeit für meine Abneigung gegen den kurz zuvor wegfahrenden Bus haben konnte. Nachdem ich mein Ziel erreicht hatte, erwartete mich eine immens lange, verschlafende Menschenschlange vor dem Kopierer, der die Nutzung von 120 Studenten zu verantworten hatte.
In diesem Moment hätte ich meine Schrotflinte aus meiner Umhängetasche ziehen sollen, um die Zeit des Wartens, die in meinen Augen wie eine Dunstwolke über der wartenden Menschenschlange hing, abzuknallen, bewusstlo
s zu treten und eventuell auszulachen. Stattdessen stellte ich mich artig an das unendliche Ende der Schlange und wartete.
Führe ich mir vor Augen, dass ungefähr ein Drittel meiner Vormittage aus einem Lebensumstand, des Wartens, besteht, wird mir etwas schlecht. Zusätzliche Übelkeit bereitet mir der Umgang mit dieser zeitaufwändigen Misere.
Ungeduld, Nervosität und reichlich Langeweile sind die Mitbringsel des Wartens. Zumindest denken wir an solche Empfindungen, wenn uns bewusst ist, dass wir gerade warten. Doch wie verhält es sich
in Situationen, die uns unbewusst warten lassen. Wir warten unbewusst auf neue Ideen, auf unbeantwortete Klärungen, auf neue Erkenntnisse und doch bleibt dieses „Innere“ Warten in unserem Unterbewusstsein verborgen. Sie scheint nicht vorhanden zu sein, doch wenn wir auf unsere abgeknabberten Finger, unsere knetenden Hände oder unsere stillen Momente blicken, sehen wir, dass wir auch dieses Warten wahrnehmen können und es eventuell zu einem Vier-Augen-Gespräch laden. Ich habe viele ungeklärte Fragen: Kann man das „Innere“ Warten gegenüber dem „Alltagswarten“ als zeitverschlingender ansehen? Sind wir bewusst daran schuld, dass man zu viel Zeit im Leben mit Warten vergeudet? Können wir im Warten auch etwas gut tuendes sehen? Warte ich bereits jetzt schon unbewusst auf eine Niederlage?
Wann hört das Warten auf?

Mittwoch, 12. November 2008

Maßnahmen

Mit leichter Koordinationsstörung lief ich gestern betrunken die Straße Richtung Bett enlang. Ein Stummel an Zigarette in der rechten und ein Paar viel zu kleine Schuhe in der anderen Hand erschwerten meine Konzentration auf das Gehen und das nicht Fallen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Autos ich anrempeln musste, um nicht die senkrechte Haltung zum Boden zu verlieren. Mit durchnässten Socken und leichter Fröstelstimmung betrat ich den Hausflur. Schlagartig setzte sich zwischen aufgerissenen Mülltüten und umgekippten Fahrrädern ein Gefühl durch, welches mich dazu zwang eine Vorstellung , die mir meine einsame Zahnbürste im Bad, mein unterkühltes Bett und mein unbelebtes Zimmer vor Augen hielt, zu beleben-

Ja, ich bin allein und verspüre in letzter Zeit oft den Drang nach lebendiger Zweisamkeit. Mein Unmut pöbelt mich zwar jedes Mal an, dass ich doch bitte nicht in diesem Romantik-Sehnsuchts-Dreck feststecken bleiben soll, aber was soll ich machen, wenn dieser Dreck nun mal zum Treibsand wird.

Jedenfalls bin ich zu dem Entschluss gekommen dieses Dilemma aus der Welt zu schaffen und kaufe mir in den nächsten Wochen ein Haustier!